Sardinien-Menorca
18.09. (Michaela)
Abends gibt es ein heftiges Unwetter. Es blitzt unaufhörlich, dazu schüttet es mindestens 2 Stunden lang. Eigentlich möchte man nicht den Kopf aus der Luke stecken…. Wir sind froh, nicht losgefahren zu sein und in der sicheren Marina zu liegen.
Aber pötzlich gegen 22:Uhr – mitten im heftigsten Regen – gibt es eine Menge Aufregung: nicht nur, dass der Strom ausgefallen ist – es laufen auf den Stegen mit Taschenlampen „bewaffnete“ Leute rum, laute Rufe dazu. Es sind Beamten der Guardia Costiera und Carabinieri. Giovanni (Mitarbeiter von Massimo) ist einer von ihnen und ruft uns zu, dass ein Mann im Wasser des Hafenbeckens verschwunden ist und nun verzweifelt gesucht wird. Sven überlegt noch kurz, ob er anbieten soll, mit Tauchausrüstung mit auf die Suche zu gehen, aber das Wasser ist mittlerweile von dem sintflutartigen Regen so braun, dass man die Hand vor Augen nicht mehr sehen kann. Ca. 20 Minuten später dann direkt auf dem Steg vor unserem Boot ein Auflauf, der gesuchte Mann wird aus dem Wasser gezogen und auf dem Steg gelegt. Mir reicht’s: ich flüchte mich nach unten ins Schiff, während oben am Steg eine Viertelstunde lang verhandelt und dann endlich der Mann abtransportiert wird.
Kein schönes Einschlafen, wenn man in Gedanken bei einem offensichtlich soeben Ertrunkenen ist, den man ein paar Stunden zuvor noch 3 Schiffe weiter gesehen hat. Wir reimen uns zurecht, dass der Mann beim an Bord springen ausgerutscht, mit dem Kopf gegen das Schiff geschlagen und bewußtlos untergegangen sein muss, und denken uns, wie erschreckend schnell das Schicksal zuschlagen kann.
19.09. (Michaela)
Große Erleichterung: laut Auskunft des Marinabüros hat der Mann gestern Abend überlebt und ist im Krankenhaus. Aber es gibt eine kuriose Geschichte dazu:
Es gab Streit unter Russen und dem Skipper wurde gedroht, ihn umzubringen, woraufhin er ins Wasser flüchtete und sich unter dem Steg versteckte. Das leblose Verhalten bei der Bergung beruhte angeblich auf den schweren Schock.
Nach nochmaligem Wettercheck entschließen wir uns, am Donnerstag (sprich morgen) Arbatax Richtung Süden zu verlassen. Das Schlechtwetter im Süden zieht in eine andere Richtung und somit ist der Weg für uns frei. Wir nutzen lieber die Zeit, damit wir rechtzeitig den Absprung im Südwesten Sardiniens Richtung Balearen schaffen, denn es droht ein richtig böser Mistral ab Montag, 24.09.
Also nochmals Proviant aufstocken, Wasser bunkern und ein Besuch bei Stefy und Paola, Friseur in Arbatax. Das Preis- /Leistungsverhältnis hätten wir uns in Deutschland gewünscht!
Svens neuer Haarschnitt. 13€ inclusive Waschen, Föhnen und Gel!
20.09. (Michaela)
Wir machen wie geplant um 8 Uhr los, tragen ganz brav unsere Rettungswesten mit den daran befestigen AIS-MOB-Sendern (für unsere Landratten: AIS = Automatic Identification System. Wenn einer von uns ins Wasser fällt, sendet der Transponder automatisch ein Signal an alle Schiffe in der Umgebung mit dem Notruf „Man over board“ und den Koordinaten des Über-Bord-Gegangenen). Dass und wie gut es funktioniert, konnten wir durch eine irrtümliche Auslösung des Transponders bei einem Segelmanöver testen: die Küstenwache (Guardia Costiera) funkt uns an und fragt, ob wir einen Notfall haben, da sie ein „MOB“ Signal von uns empfangen hätten. Wir geben Entwarnung und bedanken uns für die Fürsorge. Schönes Gefühl, zu wissen, dass im Notfall jemand zu Hilfe gekommen wäre. (Danke Vici für die AIS-MOB-Sender!!!!)
Nach einem langen Tag (u.a. mit Gewitterschauer) lassen wir in der Bucht von Villasimius den Anker fallen.
21.09. (Michaela)
Heute geht es entlang der Südküste von Sardinien in den Golfo di Palma.
Wir sind erstaunt, welch hohe Wellen sich aus dem Norden (Cagliari) aufbauen können…
Abends lassen wir nach 57 Meilen den Anker bei 6Bft Wind vor Pto.di Maladroxia fallen. Nahezu an der gleichen Stelle, an der wir vor knapp 2 ½ Jahren auf dem Weg von Alcudia nach Arbatax geankert hatten.
22.09. (Michaela)
Um 7Uhr starten wir zur Überfahrt nach Menorca. Der Wetterbericht sagt uns zumindest keinen Regen voraus, dazu eigentlich auch moderaten Wind (wenn auch zwischendurch wieder mal direkt auf die Nase.)
Es ist herrlichster Sonnenschein und wir sind guter Dinge, dass wir rechtzeitig vor dem angesagten Mistral und stressfrei in Mahon / Menorca ankommen. 200 Meilen liegen vor uns.
Das mit dem „stressfrei“ ist leider ein Wunsch geblieben. Die Wellenhöhe nimmt zu und pendelt sich den ersten halben Tag bei 2m, dann bei 4-5m ein. Dazu strammer Wind (Windstärke 5Bft) von vorne. Klasse, so hatten wir es uns nicht gedacht!
Die Odin-X nimmt die hohen Wellen zwar sehr gut, trotzdem gibt es immer mal wieder einen harten Schlag, der das ganze Schiff erzittern lässt. In den Schränken klirrt das Geschirr. Und für uns bedeutet das, jeder Gang auf und unter Deck ist extrem sportlich, da man sich ständig mit beiden Händen festhalten muss. Da überlegt man sich zweimal, wie viel man trinkt und isst, um nicht zu oft auf die Toilette zu müssen! (Hierzu müssen nämlich noch dazu die Ventile geöffnet und dann wieder geschlossen werden…)
Der Tag geht in die Nacht über, der Wind und die Wellen bleiben unverändert. Schön, dass wir Vollmond haben. Zwar sehen dadurch die Wellen bedrohlicher aus, aber immerhin sieht man sie. Es wird wieder eine lange Nacht mit Eieruhr, von der wir uns alle 20 Minuten wecken lassen, damit dann einer von uns nach unten geht und im Plotter überprüft, ob es in der Nähe Schiffe auf Kollisionskurs gibt.
Interessant, dass wir tagsüber so gut wie keine Schiffe sehen, aber nachts zwischen 2 und 5 Uhr hatten wir 7 AIS-Meldungen mit Großschiffen (Tanker, Frachter und Passagierschiffen). So z.B. um 03:30Uhr, ein Frachter von vorne und ein Frachter von Steuerbord mit voller Fahrt direkt auf uns zu. Zur selben Zeit entdecken wir, dass aufgrund eines wohl sehr heftigen Schlages in die Wellen unser Backbord-Positionslicht aus der Halterung gerissen war und nur noch am Kabel schaukelte.
Während wir die näher kommenden Schiffe weiter beobachten, um ggfs ein Ausweichmanöver einzuleiten, macht sich Sven fertig, um nach vorne zu gehen und Kabel und Lampe zu sichern. D.h., dicken Pullover ausziehen, Regenjacke an (wegen der Gischt, die immer wieder mal übers Deck kommt), Rettungsweste (incl AIS-MOP-Sender) an, dann Lifeline in die Tripline einpicken und auf allen Vieren nach vor kriechen. (Lifeline = Sicherungsleine als Verbindung zwischen Rettungsweste und Schiff. Tripline = Laufleinen, die auf Deck auf beiden Seiten des Schiffes von vorne nach hinten gespannt sind, um sich mit den vorher genannten Lifelines einpicken zu können und damit verhindert, über Bord zu gehen.)
Gestelltes Anschauungsbild für unsere Landratten zur Erklärung
Klappt bestens – und mein Gott bin ich froh, wie Sven wieder im Cockpit ist! Dann noch eine Kursänderung, um den von vorne kommenden Frachter auszuweichen, und wieder in den 20Minuten Trott verfallen.
Zum Schlafen kommen wir in dieser Nacht eigentlich nicht. Daran hindern uns nicht nur die 20Minuten Intervalle – viel mehr das stetige Ausgleichen der hohen Wellen mit dem ganzen Körper.
23.09. (Michaela)
Um 02:19Uhr überqueren wir bei 39°22“38N und 06°12“21E die Grenze nach Spanien. Nach 29 Monaten kommt die Odin-X wieder mal in ihre ehemalige Heimat.
Der Tag geht weiter wie die Nacht. Auf Essen wird verzichtet, Trinken auf ein Minimum reduziert. Wir wollen nur noch rechtzeitig vor der Dämmerung in Mahon eintreffen.
Um 18:30Uhr lassen wir in der Cala Teulera in der Einfahrt nach Mahon den Anker fallen.
Malerische Einfahrt in die Cala Teulera mit alten Festungen auf beiden Seiten
Es liegen hier in dieser kleinen Bucht mit uns 19(!!!) Boote, und wir haben mit unserem Tiefgang eigentlich nicht mehr viel Platz.
Aber wir haben uns nun eine Dusche, ein ordentliches Essen und eine ruhige Nacht im Bett verdient!
24.09. (Michaela)
Wir schlafen den Schlaf der Gerechten und stehen erst kurz vor 9Uhr auf. Die Ankerlieger in der Bucht dezimieren sich, nach dem Frühstück sind wir nur noch zu zehnt. Wir verholen auf einen besseren (nun freigewordenen) Platz, damit wir bei dem vorhergesagten und langsam schon eintretenden Sturm nicht mehr in die Fahrrinne treiben können.
Übrigens: Die Bergung der Positionslaterne war erfolgreich und sie konnte heute wieder nach einer Reparatur mit Kaltschweißkleber an ihrem Platz befestigt werden.
Kurz darauf bekommen wir Besuch von einem Boot der „Autoritat Portuària de Balears“. Wir denken schon, es gibt Ärger, weil wir an unserem ersten Platz mit dem Heck in die Fahrrinne getrieben waren, und befürchten schon eine Strafe, aber weit gefehlt. Die Hafenbehörde von Mahon macht sich Sorgen um uns, da aufgrund des vorhergesagten Mistrals unser Schiff evtl für die kleine Bucht zu groß ist, und gibt uns Geleit zu einem eigentlich gar nicht vorhandenen „Anker“platz, den wir ausnahmsweise und kostenlos nutzen dürfen. Sehr nett und freundlich!
Unser "Lotse" bringt uns zu unserem neuen Ankerplatz
Nun liegen wir direkt in dem Fjord von Mahon, nördlich der Isla del Rey, und genießen die schöne Aussicht an unserem sicheren Platz. Die Crews der vorbeikommenden Boote gucken ganz schön, weil wir hier ankern, aber da wir das von höchster Stelle angeboten bzw. sogar aufgetragen bekommen haben…
Da wir zwischen 2 Fahrwasser recht exponiert liegen und uns die Großschifffahrt und Behördenfahrzeuge passieren, ist das eine gute Gelegenheit, unseren in Arbatax neu erworbenen Ankerball einzusetzen. (Ankerball = schwarzer Ball aus 2 zusammengesetzten Scheiben, der tagsüber vom Ankerlieger gesetzt wird, um zu zeigen, dass das Schiff nicht manövriert werden kann, weil es vor Anker liegt.)
Ankerball gesetzt!
Großschiff läuft aus
... und dann noch die MSC Opera
Noch eine kleine Anmerkung: falls Ihr Euch wundert, dass es keine Fotos von der Überfahrt gibt: wir hatten absolut keinen Nerv, bei dem Wellengang zu fotografieren. Zumal wir wissen, dass Wellenhöhe auf Fotos nicht rüberkommt.
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