GAU in Port de Soller
21.05. (Michaela)
Unseren letzten Eintrag hatten wir vor knapp einer Woche, am letzten Mittwoch, geschrieben. Die Welt war noch in Ordnung für uns, wir hatten uns an der schönen Umgebung und an der schönen Ankerbucht erfreut – und dann kam alles ganz anders…. Wie so oft, aber diesmal viel schlimmer.
Am Freitagmorgen war die Bucht relativ „aufgeräumt“, d.h. wenig Boote vor Anker. Wir lagen als vorderstes Boot in Richtung Buchteingang. Von dort war im Laufe des Freitags Starkwind angesagt, aber als der Wind wirklich auffrischte, überprüften wir immer wieder unsere Lage – wir lagen wie ein Fels in der Brandung! Und auch die bis zu 2 Meter hohen Wellen machten uns / sprich unserer Odin-X nichts aus. Wir waren total entspannt, kein Boot rundum, das uns gefährden konnte, der Anker hielt… Was wollen wir mehr! Alles bestens, wir konnten ganz entspannt einen kleinen Lunch unter Deck einnehmen – und dann gingen wir wieder raus ins Cockpit…
Zu unserem Entsetzen mussten wir dicht an unserer Backbordseite einen Kutter wahrnehmen, der ein altes, ca 16m langes Segelboot aus Stahl schleppte. Sven nahm sofort das Mikrofon unseres Außenlautsprechers und forderte den Schlepper auf, mehr Abstand zu halten. Mittlerweile waren zwischen 20kts und 35kts Wind und hohe Wellen. das Stahlschiff trieb auf uns an der Backbordseite zu, konnte aber knapp an uns vorbei.
Wir dachten, das wäre es gewesen, aber unvermittelt lenkte dann der Schlepper direkt vor uns nach Steuerbord. Ich war wieder zurück ins Cockpit gegangen, Sven war mittlerweile vorne am Bug. Sven rief den anderen zu, sofort weiter weg zu fahren – ich tat das Gleiche mehrmals über den Außenlautsprecher. (Move, move, move, you’re going to hit us, don’t anchor here, you’re going to hit us…). Wir ließen nochmals mehr Ankerkette raus, um weiter von dem Schleppverband wegzutreiben.
Wie wir dann feststellen mussten, zog das Stahlschiff einen Anker unter sich her, der sich in unserer Ankerkette verfing. Somit konnten wir nicht mehr weg, das Stahlschiff war mit uns verbunden, trieb immer weiter zu uns, berührte uns und zog uns Richtung anderer Schiffe und Richtung Land.
Im letzten Moment konnte Sven die Ankerleine mit dem Messer kappen. Die 20m Ankerleine war als Verlängerung festgemacht an unserer 80m langen Ankerkette und dem Ankerkasten im Schiff.
Wir kamen frei und konnten Schutz finden – zuerst im Militärhafen und später in der Marina - ohne Anker und Ankerkette, mit kaputter Reling an der Steuerbordseite und einem vom Heckaufbau der Stahlyacht aufgeschlitztem und somit nicht mehr verwendbarem Dinghi, geschockt, verärgert etc.
Nicht auszudenken, wenn Sven die Leine nicht rechtzeitig kappen hätte können… dann wären wir weiter Richtung anderer Boote und Land getrieben und früher oder später auf Grund gelaufen.
Oder wenn wir nicht an Bord gewesen wären. Denn dann hätte uns die Stahlyacht einfach gerammt, ein großes Loch in unsere Bordwand gerissen, und die Odin-X wäre vollgelaufen und gesunken bzw an Land getrieben.
Wir konnten und können es noch immer nicht glauben: es war rundherum sehr viel Platz, es gab keinen Grund, so nahe an uns und vor allem vor uns vorbei zu fahren…
Wir sind froh, dass es viele Zeugen gab, die das Geschehen teilweise mit Video aufgenommen haben, und Statements für die Versicherung gaben… Unter anderem war als allererster Zeuge der Wachhabende des Hafens zu uns gekommen, um uns zu versichern, dass der Hafen alles offiziell auf Video hat und falls es Probleme geben sollte, dieses Video über die Guardia Civil zur Verfügung gestellt werden kann.
Hier unsere Schadensmeldung an unsere Versicherung und einige Bilder:
Wir lagen seit 10.5. stabil vor Anker in der Bucht von Soller. (40kg Jambo, 50m Kette draussen). Für den Tag war Starkwind aus NW in die Bucht vorausgesagt. Wir checkten visuell mehrmals in der Nacht davor und während des 17.5. tagsüber die Lage, Ankeralarm war aktiv und hat nie Alarm gegeben. Wir lagen zuvorderst im Ankerfeld zum Buchteingang. Um ca. 13:50 sahen wir ,daß eine alte Stahlyacht von einem Kutter dicht backbord an uns vorbeigeschleppt wurde. Kutter fuhr rückwärts. Wir riefen Warnungen, mehr Abstand zu halten. Der Schleppverband drehte unvermutet knapp vor uns nach Steuerbord , um uns zu umfahren (Abstand ca. 10m!). Für uns zu spät Ankerauf zu gehen, riefen wir über Aussenlautsprecher Warnungen, auf keinen Fall den Anker fallen zu lassen. Zunächst passierten sie unseren Bug, aber dann verhakte sich sein Anker in unserer Kette. Wie wir später erfahren, handelte es sich um seinen Mooringanker den der Verband seit der Bergung vom Strand hinter sich herzog. Der Mooringanker hatte sich mit seiner Leine um seinen Propeller gewickelt. Um freizukommen, ließen wir sofort die letzten 30m Kette heraus und konnten somit knapp eine Rumpfkollision vermeiden, da die SY Törner nun auf unsere Steuerbordseite zu trieb. Ein Schlauchboot von der Marina versuchte erfolglos während der Manöver den Fremdanker von unserer Kette freizumachen. Wir trieben zusammen auf andere Ankerlieger und den Strand zu. In letzter Minute kappte ich die Ankertrosse. Die Ketten wurde mehrfach unter unserem Rumpf stramm durchgezogen während beide Ankerketten zusammenhingen. Nachdem der Anker gekappt war und die Schiffe frei waren, haben wir auf Zurufen der "Marineros/Helfer" vom Schlauchboot erstmal in den Marinehafen verlegt. Dort ist auf jeden Fall Platz zum Anlegen und es sei sicher. Das geschleppte Schiff wurde anschliessend auch dorthin verbracht. Aufgrund schlechter Festmachmögichkeiten und starken Schwells verlegten wir nach 1Std. in die Marina Tramontana. Wie wir dann erfuhren, hat der Mooring-Anker der anderen Yacht nicht gehalten und sie war bereits an den Strand getrieben. Der Kutter hat sie freigeschleppt. Warum der Schleppverband allerdings um uns so knapp herum fahren mußte , ist für uns nicht nachvollziehbar. Für erneutes Ankern war genug Platz hinter uns (siehe Ankerfeldfoto der WEB-Kamera). Ebenso hätte der Verband hinter uns oder weiter vor uns Richtung Marina abdrehen können anstatt direkt vor dem Bug.
Aufnahme der Webcam ca. 30 Minuten vor dem "Unfall". Unsere Odin-X klar zu sehen ganz vorne im Ankerfeld:
Nun liegen wir hier in der Marina Tramontana in Port de Soller, die leider gerade umgebaut wird. Also gibt es hier Lärm, Staub, Betonmischer… aber immerhin konnten wir einen Platz bekommen.
Am Montagvormittag bekamen wir die Fotos und das Video von einem Marina-Taucher, der unseren Unterwasserrumpf bezüglich Schäden untersucht hatte. Die erst gute Nachricht: keine Schäden!
Gestern spät Nachmittag haben wir 2 Taucher engagiert, die nach unseren Angaben nach Anker und Ankerkette in der Bucht suchten und auch fanden. Also haben wir jetzt wenigstens diese wieder an Bord. (2.gute Nachricht!!!)
Die Kostenschätzung für Reling, Lackreparaturen am Bug (wegen Schäden, die der fremde Anker verursacht hat) bekommen wir hoffentlich spätestens morgen, um sie der Versicherung weiterzumelden, um bei Freigabe derselben zumindest die Arbeiten an der Reling schnellstens machen zu lassen. Die Kosten für ein neues Dinghi wurden gerade von unserer Versicherung telefonisch freigegeben, sodass wir dieses sofort bestellen können.
Tja, unser Dinghi, auf das wir so stolz waren, und auf das wir noch vor einer Woche bei dem Fest angesprochen wurden, weil es das schönste weit und breit war, ist Geschichte…
Natürlich kann man sich immer fragen, wieso, weshalb, warum, gerade wir… Hatten wir anfangs auch, aber es hilft nichts. Es war so, wir haben alles richtiggemacht, wir konnten nichts dafür, und immerhin wurden wir nicht verletzt. Und der Schock und der Schreck gehen langsam wieder über in die Normalität….
(Eine interessante Aussage des Eigners der Stahlyacht auf unsere Frage hin, weshalb sie nicht den Platz hinter uns zum Abschleppen nutzten, sondern so knapp vor uns drehten war: „hinter der Odin-X hätten wir mehr Boote getroffen, bei Euch hatten wir nur Euch“. Unglaublich, dass sie uns als „Opfer“ in Kauf genommen hatten. Quasi als Kollateralschaden…)
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