Silvester und Januar in Licata

 24.01. (Michaela)  

 

Silvesterabend in Licata

 

Seit unserem letzten Blog sind schon wieder vier Wochen vergangen…

Kurz durften wir nach Silvester „orange“ für ca. 10 Tage genießen, d.h. dass zumindest unser Italienisch-Unterricht stattfinden konnte, die „normalen“ Geschäfte (nicht nur die Supermärkte) geöffnet waren und es uns sogar möglich war, ein paar Mal zu Gaspare in die Blue Sky Bar zu gehen. 

Mittlerweile ist ganz Sizilien vorerst bis Ende Januar in der „zona rossa“, d.h., dass so gut wie alles geschlossen ist und somit auch kaum Treffen mit anderen Seglern oder aber Einheimischen möglich sind, selbst unser Italienisch-Kurs darf in dieser Zeit nicht stattfinden.

Vermutlich aufgrund der vielen italienischen „Weihnachtsheimkehrer“, die als Gastarbeiter im Norden arbeiten und das Fest bei ihren Familien verbringen wollten, sind die Covid 19 Infektionszahlen in Sizilien so stark angestiegen, dass der Regionalpräsident Siziliens, Nello Musumeci, die Regierung in Rom gebeten hatte, Sizilien zur roten Zone zu erklären. Den Zahlen nach wäre Sizilien eigentlich „orange“ gewesen, aber um möglichst früh einen weiteren Anstieg entgegen zu wirken, setzte die sizilianische Regierung auf drastischere Maßnahmen.

Immerhin dürfen wir aber nach wie vor Joggen und auch gemeinsam zu den Supermärkten im Stadtgebiet wandern, so müssen wir uns derzeit noch keine Sorgen um unsere Fitness machen.

Die ersten Segler, die über Weihnachten aus verschiedenen Gründen in ihrer alten Heimat waren, kommen zurück in die Marina. Wir halten für mindestens 10 Tage brav ganz viel Abstand und hoffen, dass wir weiterhin gesund bleiben.

 

Viel ist seit unserem letzten Blog ja aufgrund der oben beschriebenen Maßnahmen nicht passiert, aber ein bisschen gibt es immer zu erzählen:

 

Am Silvesterabend trafen wir uns mit ca. 25 anderen Seglern kurz vor Mitternacht in der BBQ-Area, um gemeinsam auf das neue Jahr anzustoßen und die vielen kleinen Feuerwerke, die von den Einheimischen in ihren Gärten gezündet worden sind, anzusehen. Mit viel Abstand, keinen Umarmungen… Welch eigenartige „Silvesterfeier“!

 

Am 01.Januar wurden wir von einem älteren finnischen Paar, Harriet und Gustaf, auf deren Segelboot „Miss Sophie“ zum Bleigießen eingeladen. Sie hatten sich so gefreut, dass Sven und ich diese Tradition aus unserer Kindheit kennen, dass sie diese gerne mit uns aufleben lassen wollten. 


Wir brachten selbstgemachten Glühwein und hatten Spaß (und Mühe), in den Kunstwerken irgendetwas für unsere Zukunft zu erkennen.



 





Eines Tages, als wir unser vorab bestelltes Grillhähnchen von der „Polleria“ abholten, sprechen wir den jungen Besitzer auf die eigenartig aussehenden „Würste“ an, die er in der Vitrine hat. Das wären sogenannte „Stigghiole“, eine Spezialität aus Palermo. Und dann erklärte er uns wortreich (und natürlich auf Italienisch, das übrigens hier in Licata einen ganz eigenen Dialekt hat), woraus sie bestehen und wie sie in Palermo dargereicht werden. Wir verstanden: Zwiebel, Kartoffel, Petersilie (evtl. auch Innereien???), fest in gut gewaschenem Darm von Ziege oder Lamm eingewickelt, und dann über offenem Feuer gegrillt. Er hatte eine fertig gegrillte „Stigghiola“, die er dann aufschnitt und uns zum Kosten gab. Und nicht nur das: er packte uns dann auch gleich noch 4 solche rohen Teile als Geschenk ein! Letztendlich hätten diese 4 Teile mehr gekostet als das ganze Grillhähnchen. Dieser Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit der Leute hier in Licata begegnen wir immer wieder: obwohl die Leute selbst wenig haben, geben sie gerne etwas ab und sind immer bemüht, Licata und seine Bewohner im besten Licht darzustellen.

Zu Hause an Bord schlugen wir dann im Internet nach: Stigghiole werden Palermos „Hardcore“ Streetfood genannt…

Wir müssen gestehen, dass sie gar nicht so übel schmecken – wir dürfen nur besser nicht an Gedärme und Innereien beim Essen denken (wobei wir glauben, dass „unsere“ ohne Innereien sind…).




In der ersten Italienisch-Stunde dieses Jahres unterhalten wir uns vor allem über die unterschiedlichen Weihnachtstraditionen und kommen dabei irgendwie auf italienische Musik. Kurzerhand beschließen wir, dass in der nächsten Stunde auf Italienisch gesungen wird. Luigi, eigentlich Alois, ein tschechischer Segler der in Wien aufgewachsen ist, bringt seine Gitarre und Cettina, unsere Lehrerin, drückt uns ein Blatt mit der Ballade „Andrea“ von Fabrizio de André in die Hand. Nun geht’s zuerst mal daran, die Ballade zu übersetzen und deren Inhalt zu verstehen, dann mit der entsprechend richtigen Betonung zu lesen, und erst dann versuchen wir mit Luigis Gitarrenbegleitung zu singen. Tja, ein bissl dünn sind unsere Stimmen – noch dazu, weil wir just an diesem Tag nur fünf Schüler sind. Aber wir versuchen unser Bestes…

Der/die ein oder andere wird das Lied sicher kennen: Fabrizio de André schreibt vorwiegend Balladen mit (sozial-)kritischen Texten. Bei „Andrea“ geht es um eine homosexuelle Liebe, allerdings wird einer der Partner durch den Krieg aus dem Leben gerissen.

Ehrlich gesagt: den Text zu verstehen und dann auch noch zu deuten, das alles auf Italienisch, war doch recht anspruchsvoll…



     

Am letzten Tag der „orangen Zone“ unternehmen wir nochmals einen ausgedehnten Spaziergang (in „rot“ dürfen wir zwar überallhin zum Einkaufen, aber nicht nur zum Spazieren). Wir gehen über den im Westen der Stadt gelegenen Friedhof: klingt jetzt vielleicht ein bisschen eigenartig, aber dieser Friedhof ist so wunderschön, dass man ihn einfach besuchen muss.

Er erstreckt sich vom westlichsten Hafenbecken, in dem vor allem Fischerboote liegen, den gut halben Hügel hinauf zum Castel Sant’Angelo. Das bedeutet also, dass es von den meisten Gräbern, einen wunderschönen Blick hinunter zum Hafen und hinaus aufs Meer gibt. Viele Gräber sind liebevoll angelegt und mit bunten Blumen geschmückt. Und als Besonderheit gibt es für die gut situierten Familien Grabkapellen, in denen die ganze Familie Platz findet – zusammen mit einem Altar und teils auch Stühlen oder Bänken zur Andacht. 















Eine weitere Besonderheit konnten / mussten wir hier in Licata feststellen: tagtäglich und zu jeder Tageszeit (wann immer wir vorbeilaufen) gibt es an der (einzigen!) Post in Licata viele Wartende vor der Türe. Uns wird erzählt, dass viele Rentner ihre Rente noch in bar abholen (und dass selbst viele Alte, die bereits ein Konto haben, der Post – sprich dem Staat – nicht trauen und lieber das Geld abheben und zu Hause unters Kopfkissen oder unter die Matratze legen). Außerdem werden von vielen Italienern Rechnungen am Postschalter bezahlt. 

Wie ich eines Tages einen simplen Brief aufgeben möchte und dem Sicherheitsbeamten an der Tür das auch mitteile (nur mal schnell rein, keine Überweisung, nichts Aufwendiges, nur schnell Briefmarke und wieder raus), meinte er zwar, da wäre ich schon richtig, aber ich müsste mich in die Namensliste eintragen… geschätzte Wartezeit: ca. 1 Stunde! 

Wir hatten dann das Glück, dass uns jemand erzählte, hin und wieder gäbe es in einem Tabacchi (Tabakladen) auch Briefmarken… Und tatsächlich: beim dritten Versuch hatte es geklappt (neben Getränken und Zigaretten gab’s an der Theke auch Briefmarken). Heureka!!!! 



So und noch schlimmer sieht's zu jeder Tageszeit vor der Post aus 








Bei unseren letzten Gängen durch die Innenstadt von Licata fiel uns mal wieder auf, wie viele der Häuser leer stehen und zur Vermietung, meist aber zum Kauf, angeboten werden. Nahezu jedes zweite Haus ist dem Verfall preisgegeben und wenn sich nicht bald Investoren finden, wird diese eigentlich ehemals so schöne italienische Altstadt immer weiter ihr derzeit noch vorhandenes wenn auch verbleichendes Gesicht verlieren.

Die folgenden Bilder sind alle in der Innenstadt aufgenommen…

         






  





Und last but not least waren wir hier an Bord auch nicht ganz untätig: z.B. streicht Sven peu à peu alle Bilgefächer. Wir haben eine neue Traveller-Leine eingezogen und getakelt (die, die wir vor 2Jahren installiert hatten, erwies sich als zu dick und war deshalb nicht einfach zu bedienen). 




Und auf unseren Streifgängen durch die Marina überprüfen wir immer wieder mal die Boote unserer Freunde – da müssen wir doch manchmal Hand anlegen: bei Bruno, der in Paris war, hatte sich eine Stange durch die Cockpit-Abdeckung gebohrt. Auf der Ella waren die Luftentfeuchter zu leeren und neu zu befüllen. Auf der Capricciosa mussten Strom und Bilge überprüft werden und der Luftentfeuchter in Gang gesetzt werden. Auf der Atma hing plötzlich die hydraulische Gangway ins Wasser (also Marineros benachrichtigen und reparieren lassen). 

Wichtig für uns alle auf den Booten Lebenden ist, immer und überall mit offenen Augen zu sein, um gegebenfalls eingreifen zu können… 

Wir hoffen und würden uns freuen, wenn auch unsere Nachbarn ein Auge auf die Odin-X hätten, wenn wir mal nicht an Bord sind.


So, das war es wieder einmal für heute.

Bleibt weiterhin gesund, passt auf Euch auf – und bis demnächst!


Und zum Abschluss noch ein Bild von der Silvesterfeier im letzten Jahr in Cartagena! Ausgelassene Stimmung, keine Masken, kein Abstand ... und noch keine Angst vor Covid 19.

Wann werden wir wieder so feiern können?????






 

 

 

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